Mein erster Ultra – oder Christian ist
an allem Schuld
Schon lange hatte ich mir
vorgenommen, mal nach Gmünd zu reisen und zumindest die 6Stunden zu laufen.
Dieses Jahr sollte es endlich soweit sein: Meinen zehnten Marathon wollte ich als
Ultra zelebrieren und dies eben in Schwäbisch Gmünd.
Doch wie vieles im Leben kam es auch diesmal wieder
ganz anders. Irgendwann im April rief mein alter Freund Christian an und
erklärte mir, er wolle ausgerechnet an diesem Tag heiraten (und das, obwohl er
schon fünfzig ist und bisher unverheiratet gewesen war). Damit war mein
Gmünder Plan geplatzt und ich verbrachte den Tag stattdessen in Konstanz. Das
war natürlich auch nicht schlecht, es war eine tolle Hochzeit, das Essen war
prima und ich traf jede Menge alte Bekannte.
Aber was war jetzt mit meinem
ersten Ultra? Ich hatte bereits neun Marathons hinter mir, war gut im Training
und wollte meinen Traum vom Ultra zum Jubiläum nicht aufgeben. Eine Alternative
musste her! Dank Internet war diese schnell gefunden: Der erste Schefflenzer
Ultra sollte es sein. Ich hatte die Wahl zwischen 100km und 50km, und da man,
vor allem im fortgeschrittenen Alter, nicht gleich alles übertreiben soll,
meldete ich mich für die 50km. Der einzige Haken an der Sache: Es würde nicht
darum gehen, 6 Stunden auf flacher Strecke im Kreis zu laufen, sondern eine
große Runde von 50km zu ziehen und dabei 1000 Höhenmeter rauf und auch wieder
runter zu gelangen, Christian sei’s gedankt...
Ich reiste bereits am Vorabend an, schließlich waren
im Startgeld die abendliche Pastaparty und auch das Frühstück am nächsten
Morgen enthalten. Bereits die Anreise vermittelte mir einen Vorgeschmack auf
die am nächsten Tag zu bewältigende Topographie. Ich kam mir vor wie bei der
Anreise zur Schwiegermutter im Hochschwarzwald, nur dass Laubbäume die hoch
wachsende Flora dominierten.
Mein Auto hatte ich
kurzerhand in ein Einmann-Biwak-Wohnmobil umgebaut und bei meiner Ankunft in
Waldmühlbach, dem Start- und Zielort, glücklicherweise einen der wenigen ebenen
Stellplätze ergattern können. Ich war nämlich nicht der einzige, der
beabsichtigte, die Nacht in seiner Asphaltkutsche zu verbringen. Uns alle
einte der Respekt vor den Schnarchern in der ebenfalls zum Übernachten zur Verfügung
stehenden Turnhalle.
Zum Auftakt der Pastaparty gab’s eine Begrüßungsrede
des sehr freundlichen Herrn Bürgermeisters, der uns dann auch mithalf, die Unmengen
Spaghetti zu vertilgen, welche wahlweise mit Tomaten- oder Hackfleischsoße
verfeinert werden konnten. Alles nach dem Motto: all you can eat. Zum Essen
nette Gespräche und Erfahrungsaustausch mit den anderen Läufern, bis es Zeit
war ins Untergeschoß zu wechseln. Dort konnten wir den Abend gemütlich mit dem
Länderspiel Deutschland – Österreich auf Großbildleinwand ausklingen
lassen. (Deutschland hat 2:1 gewonnen, aber knapp war’s schon).
Geschlafen habe ich in dieser
Nacht prima. Ingo aus Karlsruhe in seinem Daimler-Kombi neben mir hatte es da
etwas schwieriger. Denn erstens musste er diagonal auf der Ladefläche liegen,
um überhaupt reinzupassen und zweitens quietschte seine Federung jedes Mal,
wenn er sich umdrehte.
Am nächsten Morgen war ich rechtzeitig wach, um den
Start der 100km-Läufer pünktlich um 6 Uhr verfolgen zu können. Was ich nicht
vermisst habe, war das stundenlange Gelabere eines so genannten Sprechers wie
ich es bei den meisten Laufveranstaltungen bisher zu hören bekam. Vielmehr
instruierte Bernhard Köbele, einer der beiden Hauptorganisatoren des Laufs und
Vorstand der veranstaltenden LG Schefflenztal, noch einmal ausführlich über das
System der Streckenmarkierung und einige weitere organisatorische
Wichtigkeiten. Dann schickte er die 20 LäuferInnen pünktlich auf die Strecke.
Blieben für mich noch zwei
Stunden Zeit bis zum Start. Also erst mal ausgiebig Duschen und dann am Ort der
Pastaparty das Frühstücksbuffet plündern und reichlich Kaffee tanken.
Diesmal waren etwas mehr Leute am Start: 50km,
Marathon und Walking/Nordic Walking wurden gemeinsam losgeschickt. Auch der
Herr Bürgermeister war nun wieder vor Ort und ließ es sich nicht nehmen, das
Feld persönlich auf die Strecke zu schicken, natürlich erst nachdem Bernhard
die nun
Anwesenden auf alle wichtigen Dinge für die folgenden
Stunden hingewiesen hatte. Der Bürgermeister selbst lief übrigens nicht mit,
aber nur, weil er sich für diesen Tag schon einen Triathlon eingeplant hatte.
Wie immer lief ich ganz am
Schluß des Feldes los und versuchte das ganze möglichst ruhig anzugehen. Das
gelang mir auch ganz gut: Mein Puls jubilierte nicht wie sonst am Anfang eines
Laufes, sondern pendelte sich gleich um die 130 ein. Die ersten ca. 15km liefen
völlig problemlos. Noch war es nicht allzu heiß und die gnadenlosen
Steigungen begannen erst nach dem zweiten Verpflegungspunkt.
Hier gleich ein dickes Lob für die Verpflegung. Diese
war reichhaltig und vielfältig. Wer nicht gerade auf Blätterteigpastetchen
mit Gänseleberfüllung angewiesen ist, um solch einen Lauf zu absolvieren,
war auf jeden Fall bestens bedient. Auch die Freundlichkeit der Leute an den VP’s darf nicht unerwähnt bleiben. Die netten Worte und
Wünsche waren immer ein zusätzlicher Motivationsschub für die folgenden Kilometer.
Dann ging es, wie erwähnt, mit den Steigungen los, und
als ich mal zwischendurch eine gemütliche Strecke mit länger andauerndem
leichtem Gefälle unter den Füßen hatte, passierte es. Wie im Training gewohnt,
trottete ich einfach vor mich hin, hing meinen Gedanken nach und achtete nicht
allzu sehr auf den Weg. Die Abzweigung bei Km 18 war eindeutig markiert, und
dennoch lief ich über einen Kilometer auf dem falschen Weg, bis mir endlich auffiel,
dass ich schon länger keines der rotweißen Bänder gesehen hatte, die sonst den
Weg markierten. Also das ganze zurück, bis ich mich wieder auf dem richtigen
Weg befand. Ab da war nichts mehr mit einfach meditativ vor sich hin laufen,
immer die Sensoren auf Empfang für die roten Richtungspfeile, was dann auch
tatsächlich bis zum Schluss geklappt hat. Die Strecke begann mich immer mehr
an eine Wanderung auf dem Georg-Fahrbach-Weg zu
erinnern: Wo es eine Möglichkeit gab, einen Berg hoch zu laufen, wurde diese
auch genutzt. Ein ständiges Auf und Ab in einer herrlichen Landschaft. Hitze
und auch drückende Schwüle nahmen allerdings mit jedem Kilometer zu.
Zwischen Km 24 und 30 gab’s
eine schöne Waldrunde, eine wahre Wohltat in der Mittagshitze. Plötzlich fuhr
mitten im Wald ein Auto auf mich zu. In der ersten Schrecksekunde vermutete
ich einen wild gewordenen Sonntagsfahrer, doch schnell merkte ich: Das war
Gerhard Eisner, der Zweite der Organisatoren, der doch tatsächlich die
Strecke abfuhr, um nach seinen Läufern zu sehen. Das Auto vollgepackt
mit Getränken, eine zusätzliche mobile Verpflegungsstation.
Gegen Ende dieser schönen Runde
traf ich auf Ingo aus Karlsruhe, der als Nordic
Walker die Marathonstrecke in Angriff genommen hatte. Zusammen liefen wir ein
gutes Stück bis zu dem Punkt, an dem die Ultras zu einer Extraschleife abbiegen
mussten um auf ihre zusätzlichen Kilometer zu kommen.
Ab da war ich vollends auf
mich alleine gestellt. Bis ins Ziel sah ich keine anderen Läufer mehr, nur noch
Landschaft pur und am Horizont im Dunst die Silhouette des Heilbronner
Kohlekraftwerkes. Der abwechslungsreiche Charakter der Strecke änderte sich auch auf den letzten
Kilometern nicht. Ein ständiges Auf und Ab durch Feld, Wald und Wiese. Nach
fast siebeneinhalb Stunden lief ich im Ziel ein und hatte damit meinen ersten
Ultra absolviert. Auch als einer der Letzten wurde ich mit Beifall empfangen
und beglückwünscht.
Rückblickend kann ich nur
feststellen: Das war eine von Bernhard Köbele und
Gerhard Eisner liebevoll und perfekt organisierte Veranstaltung. Großartige
Landschaft und familiäre Atmosphäre im besten Sinne. Christian sei gedankt, dass
er mir, wenn auch unwissentlich, zu diesem schönen Lauferlebnis verholfen hat.
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zum Bericht bei marathon4you.de